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Von Schack - 1878

Strophen des Omar Chijam. Deutsch von Adolph Friedrich von Schack. Stuttgart; Berlin, Verlag der I.G. Cotta'schen Buchhandlung, 1878.

Quatrains from Von Schack's translation that correspond with the Bodleian Ms.

5 [9]
Ein armer Verliebter ist, wie ich, einst dieser Krug von Lehm gewesen,
Um Locken einer schönen Maid hat er geseufzt in Liebesharm;
Um einen weichen Nacken ist als Arm
Geschlungen dieser Henkel ehedem gewesen.

10 [145]
O mein Herz! wenn von des schweren Leibes Last du dich befreist,
Dich empor zum Himmel schwingen wirst du, ein verklärter Geist;
Dann nur mit Beschämung droben, von des Lebens Leid genesen,
Denkst du, daß du ein Bewohner dieser Erde je gewesen.

17 [2]
Weit lieber mit einer Schönen mag ich im Weinhaus plaudern,
Als ohne sie in den Moscheen beten;
Ja, Gott, ich wage sonder Zagen und Zaudern
Mit diesem Glaubensbekenntniss vor dich zu treten.

33 [157]
O wär' es nach meinem Willen geschehn
Und dem Geschicke die Macht genommen,
Nie wär' ich auf diese Erde gekommen,
Noch braucht' ich wieder hinwegzugehn.

41 [7]
O welche Wonnen im Weinhaus hier der Trank, der Gesang uns spendet!
Wir haben die Kleider, die Seele, das Herz, ja selbst den Becher verpfändet.
Befreit von den Elementen, den vier, in reiner Herzenserhebung
Nicht kennen wir Furcht vor Strafe mehr, noch Hoffnung auf Sündenvergebung.

83 [41]
Klag nicht den Himmel dafür an, daß Qual
Und Lust und Weh der Liebe dich durchtoben,
Denn so verliebt wie du, nur tausendmal
Hilfloser, taumelt er dahin dort oben.

87 [118]
Laßt trinken uns nun beim Morgenrot! Sagt an, was kann es uns kümmern,
Wenn Ehre und Ruf, dies vergängliche Glas, zu Scherben sich wandeln und Trümmern?
Nichts wünschen laßt auf Erden uns mehr, nein mit den leiblichen Tönen
Der Harfe wollen zufrieden wir sein und den wallenden Locken der Schönen.

94 [23]
Dieser Sünden wegen, Chijam, was in Kummer dich verzehrst du?
Ohne Nutzen dir zu schaffen, solchen Gram im Herzen nährst du?
Sündern nur läßt Gott die Wonne der Vergebung angedeih'n,
Und wenn keine Sünder wären, wem dann sollt' er wohl verzeih'n?

96 [5]
Da die Tage unsres Lebens rasch und unaufhaltsam schwinden,
Da, ob morgen wir noch atmen, Keiner uns vermag zu künden,
Laß, o du mein Mond, uns froh sein! Ach der Mond da droben wird
Oft noch um die Erde kreisen, ohne uns auf ihr zu finden!

101 [43]
Erblickt ihr eine Rose, prächtig rot,
So denkt: darunter ruht ein mächt'ger König tot;
Und seht ihr einen Krokus blüh'n, so glaubt:
Ein schönes Weib, nun tot, verlor ihn einst vom Haupt.

105 [102]
Wenn dir das Haupt von Wein benebelt ist, sei froh!
Wenn eine Schöne dir die Lippen küßt, sei froh!
Der Erdendinge Ziel und Endpunkt ist das Nichts,
Drum denk' an dieses Nichts, und, weil du bist, sei froh!

110 [29]
Keiner hat vom Weltgeheimnis je den Schleier noch gehoben;
Unsres Geistes Auge, ringshin ach! mit Nacht ist es umwoben;
Einen sichern Wohnort haben wir allein, im Erdenschoß;
Ach! wie viel wir sinnen mögen, dieses Rätsel ist zu groß.

125 [149]
Eine Flasche roten Weines und ein Büchlein mit Gedichten
Und die Hälfte eines Brotes, anders wünsch' ich mir mit nichten;
Dann nur irgend eine Wüste, um mit dir darin zu wohnen,
Und beneiden will ich fürder keinen Herrscher von Millionen.

130 [27]
Ein Weiser erschien mir im Traum und sprach:
"Was ahmst du den Tod im Schlafe nach?
Nicht schaffst du also dir gutes ins Haus;
Hier oben trinke, dort unten schlaf aus!"

133 [24]
In den Kirchen und den Klöstern, den Moscheen und Synagogen,
bebt man vor der Hölle Schrecken, hofft man auf das Paradies;
Doch vom solchem Trugebild wird nimmer dessen Geist betrogen,
Den der Herr in das Geheimnis aller Dinge schauen ließ.

141 [6]
Als Gottes Wort ist der Koran von je berühmt gewesen,
Doch wird er auf die Dauer nicht, nur dann und wann gelesen;
Wie anders an des Bechers Rand die hellen Inschriftworte!
Man liest sie gern zu jeder Zeit und gern an jedem Orte.

144 [94]
Nur Puppen mit denen das Schicksal spielt, sind hier auf Erden wir,
Erkennen muß ein jeder das, der klarerer Gesichts;
Figuren auf dem Schachbrett gleich geschoben werden wir,
Dann nimmt man uns hinweg und legt uns in den Sarg des Nichts.

146 [21]
Der Mensch kam auf die Welt und wurde nicht gefragt,
Ihn fragen wird man nicht, wenn man hinweg ihn jagt;
So gab der Himmel ihm die Traube zum Geschenke,
Damit er, weinberauscht, der Unbill nicht gedenke.

160 [140]
O Schenke! Alle, die vor uns dahingegangen sinf,
Voll leeren Dünkels waren sie, an Geist sie alle blind!
Gieß Wein mir ein und glaube mir, daß ich die Wahrheit sage:
"Was irgendwie sie vorgebracht, war nischts als eitel Wind."

168 [148]
An der einen Seite hundert Fallen hast du aufgestellt,
Auf der andern drohst mit Tod du jedem, der in eine fällt.
Sprich, da du die Schlingen legtest, denen schwer der Mensch entgeht,
Ziemt es dir, ihn zu bestrafen, wenn er just hineingerät?

183 [121]
Mühsam und emsig hab' ich der Weisheit Korn gesäht
Und es mit eigenen Händen gepflegt; allein, mein Kind,
Nur eins ist klar mir worden, als ich die Saat gemäht:
Ich kam so wie das Wasser, und gehe wie der Wind.

201 [47]
Dies flücht'ge Leben, was verschlägt's, ob es süß ist oder herbe?
Wer sterben muß, gleich kann's ihm sein, ob hier, ob dort er sterbe;
Trink Wein! und wenn wir doch einmal zu Grabe gehen sollen,
Nach unserm Tode mag der Mond, solang er Luft hat, rollen!

207 [26]
Einst am Ende wird vom Leibe dir der Tod die Seele trennen,
Das Geheimnis hinter Gottes Vorhang wirst du dann erkennen;
Doch bis dahin zeche tapfer, wie viel du immer spähst,
Nicht ergründest du, woher du kommst, und nicht, wohin du gehst.

226 [103]
Gestern in des Töpfers Werkstatt sah ich hundert Krüge stehn
Und mir war, durch ihre reihen hört' ich ein Geflüster gehn;
"Selber war ich einst ein Töpfer. - Ich, zum Kruge jetzt verwandelt,
Einst von dir, dem Warenhändler, hab' ich Krüge eingehandelt."

239 [72]
Keiner ist, der in der Dinge Urgrund jemals eingedrungen,
Der sich über seines Wesens Grenze je hinausgeschwungen;
Jeden, Lehrer oder Schüler, wenn mein Geist es recht ermißt,
Unzulänglich find' ich jeden, der vom Weib geboren ist.

245 [40]
Ich weiß nicht, wer du diesem Sein auf Erden mich erschaffen hat,
Ob es ein guter Himmelsgeist, ob es ein böser Dämon tat;
Das aber weiß ich: heut erquickt mich guter Wein an Leib und Geist,
Und er in weiter Ferne liegt der Himmel, den man dir verheißt.

269 [33]
Das Schicksal ist ein fester Gurt, der unser armes Sein umschließt,
Mehr blut'ge Tränen weinen wir, als Wasser in dem Oxus fließt;
Die Hölle ist ein Funken nur der Qual, in der das Herz uns brennt,
Das Paradies nur ein Moment der Ruhe, der uns wird gegönnt.

276 [60]
O wie schnellen Zugs von dannen zieht die Lebenskarawane!
Schneller flieht die Zeit der Freude, als ich's glaube, als ich's ahne;
Drum des Grams nicht will ich denken, welcher morgen auf uns harrt;
Her den Wein! die Nacht entflieht schon; freu'n wir uns der Gegenwart.

284 [67]
Wie schön ist die Erde nun wieder überall!
Die Winde waschen den Staub von den Rosen und Nelken,
Und zu den ermatteten spricht die Nachtigall:
"Erquickt euch nun durch meinen Trank, ihr welken!"

289 [51]
Nichts hat es der Welt genützt, als ich auf die Erde gekommen,
Und, geh' ich wieder hinweg, wie weiter beklagte sie's?
Viel hab' ich geforscht und gelauscht, allein noch von keinem vernommen,
Warum mich zu Leben und Tod das Schicksal hierher verstieß.

335 [15]
Erkunden wollt' ich, wo der Garten Eden
Und wo die Hölle sei, der Marterort;
Da höhrt' ich meinen Meister also reden:
"In dir sind beide; such sie dort!"